Weibblick - Magazin aus Frauensicht

Magazin aus Frauensicht

Der Stoff, aus dem das Leben ist

Yin Xiuzhens fantastische Welt aus Textilien ist zum ersten Mal in Deutschland zu sehen

Schuhe, randvoll gefüllt mit Butter, und ein gedeckter Tisch in einer Ruine – das sind Bilder, die sich mir eingeprägt haben. 1997 habe ich sie zum ersten mal gesehen, die Schuhe mit Butter und einen bizarr gedeckten Tisch, an dem ich gern Platz genommen hätte, hätten Stühle um ihn herum gestanden. Es sind die beiden Arbeiten, die mit der chinesischen Künstlerin Yin Xiuzhen vor einem guten Vierteljahrhundert nach Berlin kamen. Zum ersten mal war Yin Xiuzhen in Deutschland, und ihre Schuhe, die zuvor noch auf dem Dach der Welt in Tibet gestanden hatten, hatten mit ihr zusammen den weiten Weg zurückgelegt. Und haben sich mir eingeprägt. Denn wer sich einmal in eine Installation Yin Xiuzhens begeben hat, kann sich ihrer Anziehungskraft und nachhaltigen Wirkung nicht entziehen.

Die Welt draußen vor den Museumsmauern

Das hat sich bis heute nicht geändert. Man muss nur die Hallen der Kunsthalle Düsseldorf betreten, wo der Künstlerin derzeit eine umfangreiche Ausstellung gewidmet wird. Ihre Arbeiten strahlen auch dort eine Aura aus, die einen in eine andere Welt eintauchen lässt, um die Welt draußen vor den Museumsmauern umso klarer zu sehen.

Installation mit Bus

Xiuzhen, Kollektives Unterbewusstsein, Foto: Kunsthalle Düsseldorf

Xiuzhens frühes Werk, dass sich oftmals in den weiten Landschaften Chinas und Tibets abspielte, wirkt in dieser ersten Einzelausstellung in Europa dabei auch noch über ihre fotografische Dokumentation. Die Butterschuhe waren auf Zeit angelegt, ebenso vergänglich wie alles auf der Erde. Mitte der 90er Jahre, als die Idee zu den Schuhen reifte, hat Xiuzhen aber auch begonnen, Materialen der Orte, an die sie fuhr, zu sammeln und zu eigenwilligen raumgreifenden, teils begehbaren Skulpturen wieder zusammenzusetzen. Vor allem aus China, dem weltgrößten Textilproduzenten, kommen die Stoffe und Altkleider aus denen sinnliche Schnecken, aber auch bedrohliche Organe entstehen.

Wenn Xiuzhen reist, lässt sie keine Koffer zurück, sondern formt und näht aus gefundenen Kleidern Abbilder der Städte, in denen sie war. Aus dem Abfall der Straßen entstehen so Miniaturabbilder, die auf den ersten Blick wie ein transportables Kinderspielzeug erscheinen. Beim genaueren Betrachten weisen die Stoff-Skylines, Straßenzüge und mehr schon auf etwas, das heute vermutlich schon ganz anders aussieht. Weil hier etwas abgerissen und dort etwas neu hochgezogen wurde. Xiuzhen hält mit ihren Reisekoffern einen Moment inne, lässt die Zeit anhalten und ein Bild von den besuchten Orten zurück, das man nicht mehr vergisst.

 

Tragbarer Koffer mit Stadt, Foto: Kunsthalle Düsseldorf

Tragbarer Koffer mit Stadt, Foto: Kunsthalle Düsseldorf

Manche ihrer Installationen sind zudem mit Musik, Gesprächen und gesprochenen Erinnerungen versehen. So wie der Bus, der wie ein Tausendfüßler oder auch eine riesige Quetschkommode daherkommt. Stoffe über Stoffe aneinander genäht halten den halbierten Bus zusammen. Das „Kollektive Unterbewusstsein“ nennt Xiuzhen ihr Gefährt, das keine Zulassung mehr für eine Straße erhalten würde. Stattdessen lädt er zum Zuhören und Lauschen ein. Und Yin Xiuzhen mahnt dabei ganz nebenbei an die schnelle Vergänglichkeit in einer immer schnelllebigeren Welt. Was ihr wiederum niemand so schnell nachmacht.

Ort:
Kunsthalle Düsseldorf, Grabbeplatz 4, Di-So 11-18 Uhr, bis 10. März

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