Weibblick - Magazin aus Frauensicht

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Zu Besuch beim Tütenmoses

Wenn die Grabkammer eines ägyptischen Pharaos in eine Tüte passt: die Ausstellung „Tutanchamun – sein Grab und die Schätze“

Wissen Sie wer Tütenmoses ist? Nein? Dann haben Sie vermutlich kein Kind, dass schon „Millie in Ägypten“ gelesen hat. Millie ist ein kleines Mädchen, das mit seinen Eltern und der kleinen Schwester nach und nach die Welt bereist und eines Tages auch nach Ägypten gelangt. Dort erzählt der Reiseführer ihnen unter anderem die kurze Lebensgeschichte von Tutanchamun, dessen Grab sie im Tal der Könige besuchen. Millie kann sich den Namen des ägyptischen Pharaos einfach nicht merken. Fortan heißt er deshalb Tütenmoses.

Foto: Petra

Abbildung: Plastiktüte anlässlich der Ausstellung „Tutanchamun – sein Grab und die Schätze“, Arena, Berlin, Foto: Petra Welzel

Die Graböffnung als Event

Nun ist mir Tütenmoses tatsächlich begegnet. Nicht in Ägypten, sondern in der Arena in Berlin, wo noch bis Anfang September die Ausstellung „Tutanchamun – sein Grab und die Schätze“ zu sehen ist. Ausstellung ist nicht wirklich das richtige Wort, Event trifft eher zu. Es gibt eine Tickethotline, eine lange Schlange vor der Tür und eine weitere lange Schlange an der Kasse, wenn man sich keine Karten reserviert hat. Es ist ungefähr die gleiche Situation, wie wenn man in die Arena zu einem der Konzerte will, die dort sonst stattfinden. Auch die Vagina-Monologe wurden in der Arena 2001 nach ihren Erfolgen am Broadway zum ersten Mal in Deutschland aufgeführt. Und jetzt wird eben für ein paar Monate die Graböffnung Tutanchamuns gegeben.

Zwischen Kassenschlange und Eventshop liegen 4.000 Quadratmeter, parzelliert durch schwarze Trennwände, hinter denen laut Eventmanagement 1.000 Repliken aus der Grabkammer Tutanchamuns aufgereiht sind. Das heißt, bis man oder frau zur ersten Nachahmung kommt, führt einen der Audio-Guide erst mal durch zwei Filme in zwei Parzellen. Der erste Animationsfilm, angelegt als Tryptichon, erzählt in wenigen Minuten hauptsächlich mit entblößten Frauenbrüsten ägyptischer Wandmalereien und Schnitzereien die Herkunft des Pharaos. Im zweiten Film auf einer großen Leinwand und mit Bestuhlung wie in einem Dorfkino wird dann die Geschichte von Howard Carter gezeigt, der 1922 nach vielen Jahren der vergeblichen Suche Tutanchamuns Grab ausgrub.

Alles nur Glanz und Schein

Anschließend sind es vor allem Auszüge aus seinen Aufzeichnungen und Tagebüchern, die mit einem Audio-Guide ausgestatteten Besucherinnen und Besucher an den Rekonstruktionen und Repliken seines Grabs entlang führen. Eine wirklich angenehme Stimme gibt seine Notizen wieder. Aber leider ist das auch das einzig angenehme dieser Schau. Ergreifen tut einen leider kein einziges Objekt. Alles ist auf Hochglanz poliert, doch echtes Gold hat nun mal einen ganz eigenen Schimmer und nach über 3000 Jahren auch eine Patina. Es fehlt der leicht modrige Geruch, die Gegenstände und Kunstwerke vergangener Jahrtausende ausatmen. In der Arena verbreiten sich nur die Gerüche und die Geräusche des Ausstellungsrestaurants.

Man hat sich auch nicht die Mühe gemacht, die Grabkammer eins zu eins nachzubauen. Das Gefühl zu vermitteln, das Carter und sein Ausgrabungsteam hatten, als sie sie betraten. Stattdessen zieht man an vermeintlichen Rekonstruktionen, Grabeshüllen, Sarkophagen, Statuetten, Waffen, Schmuck, alles vor Gold strahlend, vorbei und versucht sich vergeblich vorzustellen, in welchem Zustand Carter das alles tatsächlich vorgefunden hat.

In dieser Schau, die angeblich schon vier Millionen Menschen seit ihrer Premiere in Zürich gesehen haben, geht es allein um den schnöden Mammon. Mit Gold blenden, um Euros zu machen. Dass die BILD darüber schreibt: „ein atemberaubendes Erlebnis“, verwundert nicht, ist es doch das Prinzip der Blattmacher, welches in der Ausstellung verfolgt wird. Wenn allerdings die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die bekanntlich für sich beansprucht, die Stimme der hohen Kultur zu sein, druckt: „Die Schau überwältigt nicht nur, sondern klärt auf, erschließt eine uns fremde und doch so nahe Kultur“, dann muss man sich ernsthaft um unser Verständnis von Kunst und Kultur und vor allem ihrer Vermittlung sorgen. Jedes Kind, das „Millie in Ägypten“ liest, weiß am Ende mehr über das Land und seine Geschichte, als diese Ausstellung es vorgibt.

Nur den Tütenmoses, den gibt es dort tatsächlich. Den Shop am Ende der Schau verlassen die meisten Besucher mit einer Tüte in der Hand. Darauf ist die Totenmaske des um 1323 v. Chr. verstorbenen Pharaos zu sehen, verewigt als Tütenmoses.

Info: Ausstellung in der Arena Berlin, Eichenstraße 4, 12435 Berlin, vom 9.März – 1. September 2013

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