Weibblick - Magazin aus Frauensicht

Magazin aus Frauensicht

Heilquellen in Franzensbad, Porzellan in Selb

Im tschechichen Franzensbad heilendes Wasser für die roten Blutkörperchen trinken und danach in Selb den Geschirrschrank mit feinem Porzellan auffüllen

Mit der Regionalbahn fahre ich von Dresden über Chemnitz und Bad Brombach nach Franzensbad (Frantiskovy Lazne), in den seit 1791 eingetragenen Kurort im böhmischen Bäderdreieck.
Franzensbad ist der kleinste Kurort neben Karlsbad und Marienbad in Tschechien.

Als erstes fallen mir die großen restaurierten Hotels in hellgelbem Putz am Platz auf. Auch die Wohnhäuser, Pensionen und die orthodoxe Kirche sind hergerichtet, ihre Fassade in gelber Farbe gestrichen, die hier und da schon wieder abblättert.

Es liegt Schnee und es schneit. Die meisten Hotels und Familienpensionen sind geschlossen. Die Gäste sind noch nicht da.

Es ist dämmrig und sehr still. Nur wenige der Fenster hinter den Gardinen sind erleuchtet. Die Lichter scheinen matt und milchig in den kalten Park hinein. Eisblumen kriechen an den einwändigen Fensterflügeln der Terrassentür am Kurhotel empor, in dem ich übernachten werde.

Durch das Scheibenglas der geschlossenen Häuser sieht man Tische und Stühle übereinander gestapelt stehen oder für die kommende Saison als Sitzgruppen bereitgestellt. Nur einige Menschen wandeln gedämpften Schrittes durch die Straßen.

Eine der Kur-Trinkhallen im Park hat geöffnet. Ich gehe in diese hinein und fülle mir einen Pappbecher mit dem tröpfelnden Quellwasser aus dem Hahn ab. Ich trinke das kalte Wasser schluckweise. Es schmeckt salzig, sauer und modrig.

Wozu soll das gut sein? Aus dem Informationsblatt erfahre ich, dass das Wasser aus der Franzensquelle gegen Verdauungsstörungen helfen soll, bei chronischem Katarrh der Atemwege das Wasser der Stahlquelle und bei einer Anämie wiederum das Wasser der Neuquelle. Letzteres ist demnach für mich. Eine Frau in roter Fleecejacke hat an diesem Abend Aufsicht. Sie steht frierend hinter der Zapfsäulen-Theke und füllt mir noch einen Becher ab. Ich trinke tapfer.

Neben der Trinkhalle im Park steht das Casino. Auch das hat geöffnet. In dem dazugehörigen Restaurant geht man unter Renaissance-Leuchtern entlang und über Koi-Karpfen hinweg, die unter dem eingelassenen Glasboden schwimmend ihre Bahnen ziehen. Nur drei Tische sind an diesem Abend besetzt. Gleichzeitig feiern im hinteren Saal mindestens vierhundert Vietnamesen mit ihren Familien gemeinsam die Bilanz des vergangenen Jahres. Sie kommen aus der Region Plauen bis Karlsbad, dort arbeiten sie in ihren Gemüse-Blumen-Asia-Bekleidungs-Elektro-Geschäften, Märkten oder Restaurants. Auf ihren Tellern liegen Ente, Knödel und Rotkraut. Laute Musik aus Lautsprechern und kulturelle Darbietungen begleiten das Essen. Soeben tanzt ein schmaler Junge mit seiner blassen Partnerin „Standard“. Die Kinder klatschen in die Hände.

Vietnamesische Gäste in Franzensbad

Vietnamesische Gäste in Franzensbad

Als ich in das Kurhotel zurückkomme, sitzen zwei Damen in roter Uniform an der Rezeption vor ihren Computern. Sie verwalten die Schlüssel und die medizinischen Bögen, wenn hier ein Gast mit ärztlichen Verordnungen logiert. Der Gebäudeteil für die Behandlungen befindet sich auf der anderen Seite des Ganges. Ich erhalte den Schlüssel zu meinem Zimmer im Nebenhaus. Die verbindendenden Gänge zwischen den Etagen sind lang, das Zimmer einfach und ordentlich. Mir fällt auf, dass die Kellner ein weißes Hemd mit Fliege und schwarzer Hose tragen. Zumindest einige. Schwebend eilen sie auf den mit Filz ausgelegten Gängen unter den Leuchtern zwischen den Tischen hin und her.

Im Behandlungstrakt

Eingang zum Behandlungszentrum, Kurhotel in Franzensbad

Eingang zum Behandlungszentrum, Kurhotel in Franzensbad

Es ist 7.30 Uhr morgens. Die Therapeuten haben ihre Plätze in ihren Behandlungszimmern eingenommen. Wasser rauscht in die gusseisernen Wannen, der Wecker wird für die erste Massage gestellt, das Öl steht bereit. Die Lüster brennen. Es kann losgehen.

Einige alte Menschen kommen mit gebeugten Rücken langsam die Flure entlang gelaufen. Fahle, zerfurchte Haut. Andere Damen wiederum gehen federnden Schrittes zu den ausgewiesenen Räumen, die Haare kurz geschnitten und gefärbt, Lippen und Fingernägel rot angemalt. In der Hand halten sie ihre ärztlichen Verordnungen für eine Moorpackung, eine Massage oder für ein Mineral-und Kohlendioxidreiches Bad. Zur Linderung der Schmerzen und für etwas mehr Beweglichkeit. „Altwerden ist nicht angenehm“, sagt ein ältere Dame im Trainingsanzug zu mir. Ja, das habe ich mir gedacht.

Die Therapeuten sind über jeden Gast froh, der zu ihnen kommt. Der Kurbäder-Verbund ist der größte Arbeitgeber in der Stadt und in der Umgebung. Im Februar müssen die Masseure Urlaub nehmen, weil es in diesem Monat nicht genug zu tun gibt. Aber zu Ostern sollen die Bücher wieder voll, „sagen die von der Verwaltung“, sagt mir einer der Masseure, der hier täglich von 7:30 Uhr bis 15:30 Uhr arbeitet.

Ein Schild für die medizinische Anwendung „Vaginale Moorbehandlungen“ erregt meine Aufmerksamkeit. Auf Nachfrage erklärt mir die Dame an der Rezeption, dass Franzensbad eines der wenigen Kurbäder ist, deren Hotels sich auf alternative Methoden zur Heilung von Frauenerkrankungen spezialisiert haben. Diese Behandlungen wurden zuerst in Bad Elster in der DDR eingeführt. Und in Franzensbad wird erzählt, dass jede Frau, die mit einem unerfülltem Kinderwunsch hier her gekommen ist, nach einer solchen Behandlung ein Jahr später schwanger wurde.

Ich schaue sie während ihrer euphorischen Rede etwas skeptisch an und denke, dass es ja zumindest eine Alternative im Repertoire der Behandlungsoptionen sein kann. Schließlich sollen 6 Mio. Frauen und Männer im Alter zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos sein. Davon sind wiederum 30% der Frauen unfruchtbar.

Nur sehe ich hier keine Frauen im gebärfähigen Alter.

Eine Dame im schicken Hosenanzug steht während unseres kurzen Gespräches neben mir und ergänzt: „Vielleicht entwickelt sich hier ja noch ein Techtelmechtel für etwas Gemeinsames.“ Sie gehe gern am Abend in die Bar, erzählt sie uns. „Aber leider, leider sind die Damen immer in der Überzahl“.

Raus aus der gelben Stadt – auf die Porzellanstraße

Nur 20 km entfernt, unweit der deutsch-tschechischen Grenze, wird im oberfränkischen Arzberg Porzellan produziert. Auf diesem Geschirr wird das Essen im Bundeskanzleramt serviert. Es ist oft weiß oder einfarbig – gerade, zeitlos, modern.

Porzellan aus Arzberg

Porzellan aus Arzberg

Dem traditionsreichen Betrieb ging 2003 hochverschuldet die Puste aus, bis der Designer und Agenturinhaber Peter Schmidt als Liebhaber schönen Porzellans in die leistungsfähige Fabrik mit 235 Angestellten einstieg und der Marke zu neuem Glanz verhalf. Für Schmidt war es eine Wette darauf, dass man auch in Deutschland erfolgreich produzieren kann. So erzählte er es zumindest in einem Interview mit Brand Eins. Aber 2013 war es auch damit zu Ende. Arzberg meldete Insolvenz an und schlüpfte unter das Dach des Porzellanherstellers Rosenthal AG.

Geht man durch das Straßen, sieht man schnell, dass das Städtchen schon bessere Zeiten erlebt hat. Leere Ladengeschäfte, geschlossene kleine Manufakturen, Billig-Ketten stehen am Ortseingang- und Ausgang. Nur das Rathaus sticht aufgemöbelt im dunklen Rot aus der winterlich-trüben Tristesse heraus.

In Selb, wiederum 18 km von Arzberg entfernt, sind die beiden traditionsreichen Marken Rosenthal und Hutschenreuther zu Hause.

Auch Rosenthal konnte als ehemaliger Weltmarktführer von Porzellan und Glaswaren nur bis Januar 1997 aus eigener Kraft bestehen, dann übernahm der irische Konzern Waterford Wedgwood die Geschäfte und kaufte im Jahr 2000 die Marke Hutschenreuther hinzu. Bis zur nächsten Pleite, die 2009 ins Haus stand. Seitdem gehört die eigenständige Rosenthal GmbH zum italienischen Sambonet-PadernoIndustrie.

Das Porzellan ist begehrt und spricht mit seinem Design und manch figürlicher Kunstfertigkeit unterschiedliche Geschmäcker an. Insbesondere Menschen, die sehr exklusive Ware bevorzugen und es sich finanziell leisten können.

Doch hier bietet das Unternehmen ein ausgewähltes Sortiment nicht nur in Verkaufshallen an, sondern auch in einem Outlet. Das Schöne an diesem Viel an Tellern, Tassen, Kannen, Milchkännchen, Schüsseln, Eierbechern, Gläsern, Vasen, Besteck, Kerzenständern oder Tischwäsche ist, dass sich Mütter mit ihren Töchtern oder junge Paare aus Container-Körben ihre Aussteuer zusammenstellen können. Für ein wirklich kleines Geld.

Schade, dass ich nichts benötige. Ich schaue mich noch etwas um, und gehe dann wieder zurück zum Bahnhof.

Auf der Heimfahrt schicke ich meiner Nichte eine Nachricht per SMS: „Aussteuer in Selb kaufen.“ Diese braucht sie nämlich, weil sie gerade sesshaft wird.

Und meine Eltern in Dresden: „Kuren in Franzensbad ist nicht das Schlechteste! Es sind nur 2 Stunden von Tür zu Tür.“

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