Weibblick - Magazin aus Frauensicht

Magazin aus Frauensicht

Im Kloster auf Lebenszeit

Ein Leben mit Gott, ein Leben in Abkehr von weltlichen Dingen, ein Leben in Gemeinschaft. Die Ursulinerinnen in Erfurt zählten 1998 noch 22 Schwestern, heute sind sie noch 10. Wie leben sie?

Ursulinerinnen Sr. Katharina und Sr. Clothilde im Kloster Erfurt, 2015, Foto: Annette Maennel

Ursulinerinnen Sr. Katharina und Sr. Clothilde im Kloster Erfurt, 2015, Foto: Annette Maennel

„Wir sind die Letzten. Nach uns kommt keine mehr“, antwortet Schwester Katharina (80) nüchtern auf meine Frage nach der Situation im Ursulinenkloster. Wir sitzen gemeinsam mit Schwester Clothilde (72) im Aufenthaltsraum um den runden Tisch – genau wie schon einmal vor 18 Jahren. An mich können sie sich nicht mehr an mich erinnern. Aber ich mich an sie. Ihre Stimmen haben sich nicht verändert. Die von Schwester Katharina ist noch immer kräftig, langsam und bestimmt. Schwester Clothilde hingegen spricht hell und sehr flink. Die eine ist noch immer groß und stattlich, die andere scheint noch kleiner geworden zu sein. Beide tragen ein Hörgerät. Das Gehen fällt ihnen schwer. Als ich damals bei ihnen Quartier bezogen habe, lebten noch 22 Schwestern in der Gemeinschaft, heute sind sie nur noch 10.

Das Kloster befindet sich in nachbarschaftlicher Eintracht mit Karstadt und dem Regionalblatt „Thüringer Allgemeine“ am Anger in der Erfurter Innenstadt. Das dunkle Gebäude mit seinem hölzernen Namensschild liegt mitten im Leben. Hinter den Mauern des Klosters liegen ein moderner Kindergarten, das begehrte Edith-Stein-Gymnasium, das Bildungshaus und ein verwunschener Garten mit Solarpanelen. Das Wohn- und Gästehaus für die Schwestern wird neu errichtet; ihr bisheriges Zuhause müssen sie verlassen, weil es viel zu groß ist, als dass die kleine Gemeinschaft es noch bewirtschaften könnte.

Was hat sich zwischen 1998 und 2015 verändert?

Schwester Ulrike

Schwester Ulrike mit Hortkindern, 1998

Schwester Ulrike, 1998

Damals 1998:

Schwester Ulrike trägt den schwarzen Schleier, bis zu den Knöcheln reicht das dunkle Kleid mit exaktem Faltenwurf. An ihren Füßen baumeln unter dicken Wollsocken Biolatschen. Wir sitzen uns in einem kleinen Zimmer gegenüber. Es ist 20 Uhr. Für Ulrike bedeutet das, nach einem langen Tag Zeit für sich zu haben. Eine andere Schwester schaut herein und fragt, ob sie später die Türen abschließen werde. Ulrike sagt: „Ich habe sie schon am Gang erkannt. Inzwischen erkenne ich jede an ihrem Schritt oder an ihrer Art zu atmen«.

Bevor sie sich für ein Leben im Kloster entscheidet, macht sie eine Ausbildung zur Erzieherin in der an das Kloster angeschlossenen „Schule für Erzieherinnen im kirchlichen Dienst“, die seit der Wende 1989 als Fachschule für Sozialpädagogik anerkannt ist. Sehr genau erinnert sie sich noch an ihre ersten Eindrücke, als es heißt, im Klosterinternat Quartier zu beziehen: „Ich fand es dunkel, unheimlich, still, das riesige Eisentor verschlossen – ich war eingeschlossen und heulte erst einmal richtig los. Ich hatte mich noch an einer anderen Schule beworben, erhielt aber den Platz in Erfurt und fand es erst beim zweiten Hinsehen viel freundlicher.“

Berufung?

„Ich wurde katholisch erzogen, meine Mutter lebte mit meinem Bruder und mir allein. In meiner Zwiesprache mit Gott erschien immer öfter der Gedanke an das Leben in einem Kloster. Dieser Gedanke wurde immer zwingender, bis ich dann sagte: „O.k., ich denke darüber nach… “ und mich später dazu bekannte: „Damit war die Zeit der Unruhe vorbei.“ Für die Mutter ist der Entschluss der Tochter nicht leicht zu akzeptieren, schließlich „verliert“ sie ihr Kind an eine feste Gemeinschaft. Vom Bruder, der in Erfurt Theologie studiert, erfährt sie ungeteilte Zuneigung. „Wie auch immer du dich entscheiden wirst, ich stehe zu dir.“ Der Bruder bedeutet ihr viel, sie besuchen sich oft. Ulrike ist froh, Stille zu haben. Für sie ist es wichtig, gemeinsam mit den anderen Schwestern den Weg des Glaubens zu gehen, im Gebet Kraft zu finden und von der Gemeinschaft getragen zu werden, auch wenn „alle ihre Macken haben und es bei manchen ganz schön zwitschert“.

Um in den Orden aufgenommen zu werden, bedarf es der eigenen langen und gründlichen Prüfung. Schließlich entscheidet man sich für ein Leben, dass von drei Säulen des Gelübdes getragen wird: Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam. Eine schwere Entscheidung, für die sie reichliche fünf Jahre Bedenkzeit hat. Das erste halbe Jahr gilt als eine Art Probezeit in ziviler Kleidung. „Man nimmt am Klosteralltag mit all seinen Pflichten teil und wird unterrichtet. Danach kannst du gehen oder bleiben“, erzählt Ulrike. Wer bleibt, bekommt das weiße Gewand der Novizin und lebt zwei Jahre in der Gemeinschaft. Wer sich danach noch immer für ein Bleiben entscheidet, erhält für die nächsten drei Jahre den schwarzen Schleier. Dann heißt es, dem Kloster entweder nach mehr als fünf Jahren den Rücken zu kehren oder aber während einer feierlichen Zeremonie das Gelübde abzulegen. Nach dem Eintritt in den Konvent erhält die Schwester einen anderen Namen, behält jedoch gleichzeitig ihren weltlichen. Auch werden die Verbindungen zu Familie und Freunden nicht abgeschnitten, sondern können weiter gepflegt werden.

Wie läuft nun der Alltag ab, wie gehen Frauen auf einem so engen Raum über Jahrzehnte miteinander um, welche Zweifel und Fragen beschäftigen sie und sind sie tatsächlich vor all den „weltlichen Dingen“ wie Konsum, Kultur, Familie und Sex gefeit? – Ulrike lacht und sagt: „Zuerst bin ich einmal Mensch und dann Ordensfrau“. Alle gehen einem ganz normalen Beruf nach, je nach Eignung und Vorliebe. Einige betreuen Kinder im Hort oder pflegen Senioren, andere kochen und kümmern sich um die häuslichen Pflichten, wie um das Bügeln der weißen Hauben, oder haben Pfortendienst. Das Kloster muss so wirtschaften, dass es für alle genug zu essen gibt, und dass die notwendigen Reparaturen an dem alten Gemäuer ausgeführt werden können. Dafür werden öffentliche Gelder akquiriert, fließen alle Einkünfte, Renten oder Pachtgebühren in die kollektive Kasse. Vom Bischof gibt es das Versprechen, im Notfall finanzielle Hilfe zu leisten. Sie selbst verfügen über keinen Cent.

Das Gelände des Hofes ist groß und führt in einen blühenden Klostergarten. Auf der einen Seite steht ein moderner Kindergarten, auf der anderen Seite das katholische Gymnasium „Edith Stein“. Seit dem Mittelalter bis heute gehen die Ursulinerinnen ihrem „Bildungsauftrag“ auf. Die Einrichtungen sind großzügig, hell, architektonisch modern gebaut, mit didaktischem Material reich ausgestattet und auf dem neusten Stand der Technik. Computer sind hier keine Mangelware.

Ulrike betreibt im Gymnasium eine Teeküche für Schüler. Hierher kommen die Siebentklässler aufwärts – zuerst etwas zaghaft, dann immer öfter. Ulrike bietet Spiele an, doch dringender wird etwas anderes gewünscht, nämlich Gespräche. Die Kinder wollen reden, reden, reden. Über ihre Klasse, ihre Familie, ihre erste Liebe, ihre Sorgen und Ängste. Ulrikes Botschaft lautet: „Ihr könnt mich fragen, was ihr wollt, ich antworte euch. „Zuerst habe das etwas Befremden ausgelöst, denn wie soll man sich mit einer Frau, die keine sexuellen Beziehungen zu einem Mann hat, genau darüber unterhalten? „Ich bin ein Kind dieser Zeit“, antwortet Ulrike und „ich hatte schon Freunde und ich habe Bedürfnisse wie andere auch“. Das verblüffte zuerst, lässt jedoch genau das entspannte Verhältnis zu den Kindern wachsen, das sie inzwischen so nahe gebracht hat.

Manches mal zweifelt sie, ob sie sich richtig entschieden hat, wenn sie sich vorstellt, selbst keine Familie haben zu können. Aber je länger sie darüber nachdenkt, wächst die Gewissheit, dass der Weg, den sie eingeschlagen hat, der richtige ist. „Ich kann es nicht erklären, woher die Gewissheit kommt – aber sie gibt mir Ruhe und Kraft“.

Heute 2015:

Schwester Ulrike ist nicht mehr im Kloster. Vor fünf Jahren hat sie sich von den Schwestern und ihrem Gelübde getrennt. Ihre Sehnsucht nach einem Leben mit eigenen Kindern war zu stark. Sie entfernte sich immer mehr von der Gemeinschaft, konnte ihrer Arbeit nicht mehr konzentriert nachgehen und entschied sich letztendlich für den Abschied. Dieser musste von den anderen Schwestern unterstützt, in Rom eingereicht und von dort bewilligt werden. Nach 15 Jahren Leben in der Gemeinschaft.

„Sie hat es sich nicht leicht gemacht“, erzählt Clothilde freundlich und klingt doch etwas bitter. „Ulrike ist verheiratet und erwartet ihr zweites Kind“, ergänzt sie und, dass die Teestube im Gymnasium nun Schwester Jutta übernommen hat.

 

Schwester Clothilde

Schwester Clothilde, Ursulinerin, Erfurt,1998

Schwester Clothilde, 1998

Damals 1998

Clothilde lebt schon seit über 30 Jahren (heute 47 Jahre) hier. Sie betreut die Besucherinnen und die Bibliothek. Clothilde ist klein, Clothilde ist flink und Clothilde lacht fast immer. Leidenschaftlich liebt sie ihren Beruf als Kindergärtnerin und genießt das quirlige Leben mit den Kindern. Als sie im Kindergarten nicht mehr gebraucht wird, soll sie sich von einem Tag auf den anderen in die Grabesstille der Bibliothek zurückziehen. „Da habe ich mit mir gekämpft, und mir Rat im Gespräch mit einer anderen Schwester gesucht“. Clothilde ist es aber auch, die auf einem Computer das erste Faltblatt und mit Unterstützung einer Grafikerin das erste Kloster-Geschichtsheftchen herstellt. Alles was Clothilde macht, führt sie bedächtig und fürsorglich aus – irgendwie fühlt man sich unter ihren Fittichen wieder als Kind. So dürfte es auch ab und zu Ulrike gehen, denn die beiden haben sich besonders ins Herz geschlossen. Obwohl – auch das weiß jede Schwester – die Freundschaft nicht so eng sein darf, dass sie sich gegenüber den anderen abkapseln, um die Gemeinschaft offen zu halten. Und andersrum muss man wie im „richtigen Leben“ auch nicht jede Schwester lieben.

Auch Clothilde bedauert es hin und wieder, keine Kinder zu haben und jemanden, an den man sich anlehnen oder mit dem sie Zärtlichkeiten austauschen kann. In solchen Zeiten sucht sie das Gespräch mit älteren Schwestern, die diese Sehnsüchte und Gefühle aus ihrer eigenen Erfahrung heraus betrachten können. Für sie hätte ein sich Umentscheiden immer ein Stück Verrat an ihrer ersten Entscheidung bedeutet. Sie wollte und will weiterhin ihren Weg im Glauben gehen und zeigen, das Treue und Miteinander möglich sind.

Heute 2015

Schwester Clothilde (72), Ursulinerin, Erfurt

Schwester Clothilde, 2015

Schwester Clothilde lebt nun seit 47 Jahren im Kloster. „Nein, ich habe es nicht bereut“, sagt sie nach einer langen Pause. Hat sie nichts vermisst? Reisen in ferne Länder, berufliche Herausforderungen, andere Gemeinschaften? „Eine ausgefüllte Lebens-Zeit muss nicht immer etwas mit Action zu tun haben, sondern kann auch sein: sich an etwas zu erfreuen. An kleinen Dingen, diese wahrzunehmen. Und wenn es die Pflanzen in unserem Garten sind“.
„Ja“, antworte ich und frage noch einmal nach: „Was bedeutet Zeit für Sie“?

„Diese jeden Tag neu als etwas Kostbares zu erkennen und für die Gemeinschaft zu nutzen.“ antwortet Schwester Clothilde und beendet ihren Satz mit einem kleinen Lachen. Mehr sagt sie nicht. Schwester Katharina übernimmt das Wort und erklärt, dass es wohl ihre Arbeitsteilung sei, dass sie eher reden müsste.

 

Schwester Oberin Katharina

Schwester Katharina, Ursulinerin, Erfurt, 1998

Schwester Katharina, 1998

Damals 1998

Kommt es unter den Schwestern zu Konflikten, versucht man diese zuerst miteinander im Gespräch zu lösen. Sind diese nicht zu klären, wird die Oberin hinzugerufen. Seit 1982 steht dem Haus die 63Jährige (heute 80Jährige) Schwester Katharina vor. Katharina hat die Ausstrahlung einer Frau, die weiß was sie will und klug, aufrichtig und wach das Geschick des Hauses lenkt. Ihre Schwestern schickt sie jedes Jahr für vier Wochen in den Urlaub. Sie werden dazu verpflichtet, dass Kloster zu verlassen, um etwas Abstand und andere Eindrücke zu gewinnen. Selbst die Alten müssen los, ob zur Kur oder in das kleine Gartenhäuschen am Rande der Stadt. Ausgestattet mit etwas Taschengeld, vielleicht eingeladen von Freunden und Verwandten, geht es vor die Mauern. Oder wenn eine Vertreterin des Konvents eingeladen wird, achtet sie darauf, dass die Reisen gerecht verteilt werden und eben nicht nur eine oder zwei immer wieder fahren dürfen. So richtigen Neid hat Schwester Katharina noch nicht erlebt, aber revolutionär war es für das Kloster in den 90iger Jahren schon, sich von außen eine Supervisorin zu holen. Dagegen haben sich die älteren Schwestern besonders gewehrt. „Die Jüngeren von uns wollen hier auch weiter leben, da müssen wir die alten Zöpfe abschneiden“, verteidigt Katharina ihre Entscheidung. „Hier leben völlig verschiedene Frauen zusammen, welche, die einfach nur „praktisch“ ihren Alltag meistern wollen und andere, die Lust haben, sich geistig zu betätigen“. Je nachdem wie rege die Schwestern sind, initiieren sie sich ihre eigenen Gesprächs – und Bibelkreise, beziehungsweise organisiert Katharina Vorträge.

Der ausschlaggebende Grund, dass sich das aus Ostpreußen vertriebene 14Jährige Mädchen für ein Leben hinter Klostermauern entschied war die Liebe zu einer Kindergartenschwester, die den Religionsunterricht gab. Sie begann in Greifswald in der Küche zu arbeiten, wechselte danach als Erzieherin in ein Kinderheim in die Nähe von Senftenberg und stellte sich dort als l6jährige den Jungen. Dann hörte sie davon, dass eine Schule in Erfurt eröffnet werden sollte und meldete sich an. Ihr gefiel es, weil es ein Familienkloster war. Wissbegierig holte sie Schulabschlüsse nach, studierte Sozialpädagogik, und schloss diesem ein Sonderstudium des Berliner Ordinariats an, wo Dozentinnen aus dem Westen lehrten, und die Absolventinnen nach Studienschluss fähig sein sollten, katholische Bildungseinrichtungen zu leiten. Sie weiß um ihre Begabung und stellt diese bewusst in den Dienst Gottes. Auch Schwester Katharina hat sich vor dem Klostereintritt mit den Konsequenzen auseinandergesetzt: „Die Entscheidung dafür bedeutet wirklich nicht nur reine Freude, wenn man das Gelübde bedenkt. Schließlich ist es ein Grundbedürfnis des Menschen, schöne Dinge zu begehren. Zum Beispiel könnte unsere Kleidung aus einem anderen Stoff sein.“ Die starke Frau mit dem offenen Gesicht ist immer genau dort, wo sie gebraucht wird. Sie versteht es, die unterschiedlichen Interessen und Temperamente der Schwestern unter eine Haube zu bringen. Sie weiß, wie sie mit jeder reden muss und hat ein Gespür dafür entwickelt, wenn sich Unzufriedenheit breit macht. Sie ist es auch, die den Orden nach außen vertritt und die sich dafür eingesetzt hat, dass das Gymnasium nach einer Frau benannt wird – nach Edith Stein. Schwester Katharina sieht sich in der Tradition der Gründerin des Ordens, Angel a Merici, die den Orden 153 5 unter den Schutz der heiligen Jungfrau und Märtyrerin Ursula stellte. Diese wollte, dass sich Mädchen bilden, sich in einem zivilen Umgang miteinander bewegen und ihren Glauben standhaft vertreten. Das Kloster war nicht zuletzt ein Ort, in dem sich Frauen Wissen aneignen konnten, und eröffnete ihnen eine Möglichkeit, aus ihrer traditionellen Bestimmung zu flüchten. Katharinas Lebensphilosophie lautet: „Ich frage nicht nach dem Warum, sondern ich frage danach, was meine Situation mit mir macht“.

Schwester Katharina, Ursulinerin, Erfurt, 2015

Schwester Katharina, 2015

Heute 2015

„Wir werden heute nicht mehr in dieser Form gebraucht. Die Welt hat sich weiter entwickelt; die Menschen leben in anderen Gemeinschaften zusammen und die kirchlich-traditionelle Form hat zumindest in Europa an Bedeutung verloren“, reflektiert Schwester Katharina die Situation. Wir werden wieder zu dem, wie es einmal angefangen hat: kleine Gemeinschaften. Auch sollte sich die Kirche wieder mehr auf ihren beiden Aufgaben konzentrieren: Bildung und Diakonie. Sie liest noch immer viel, setzt sich mit den Fragen der Zeit auseinander und erklärt mir die demografische Pyramide. Wie sollten da junge Schwestern aufgenommen werden? Selbst wenn eine den Weg zu ihnen finden würde, könnten sie diese nicht willkommen heißen. Denn die Gemeinschaft muss sicherstellen, dass sich alle umeinander kümmern. Aus ihren Worten spricht keine Bitterkeit.

Die Herausforderung der Moderne sieht sie darin, dass sich heute jeder Mensch aus vielen Angeboten heraus selbst für seinen Lebensentwurf entscheiden und dafür auch die Verantwortung übernehmen muss. Das verbinden die Menschen mit Freiheit.
Für sie ist es kein Widerspruch, sich zu binden und gleichzeitig frei zu sein. Für sie liegt das Wesen des Menschsein darin, sich selbst treu zu sein und sich selbst mit allen Möglichkeiten und Grenzen anzunehmen.

Das hört sich banal an, ist aber für viele Gäste, die das Kloster für eine „Auszeit“ aufsuchen oder die Nummer des Telefons wählen, schwer zu leben. „Sie leiden darunter, nicht den Erwartungen anderer entsprechen zu können. Viele von ihnen fühlen sich von der Schnelllebigkeit der Zeit überfordert. Sie haben Angst, etwas zu verpassen und nehmen sich zu wenig Zeit, um herauszufinden, was für sie wirklich wichtig ist“, beschreibt Schwester Katharina die Nöte der Menschen, die sich an sie wenden. „Im Gespräch – im Zuhören – lässt sich dann manchmal Schicht für Schicht abtragen“.
„Wie halten Sie es mit den neuen Medien?“, frage ich nach. Die Ursulinen haben einen Dachverband und können einer Facebook-Gruppe beitreten, wenn sie es wollen. Letztendlich haben sie im Kloster nur ein Handy für Notfälle. Die Website erfüllt ihren Zweck, um sich vorzustellen und Kontakt aufzunehmen. Mehr brauchen sie nicht. Mehr wollen sie nicht.

Damals 1989

Trotz vieler Arbeit geht es im Kloster besinnlich zu. Das bekommen besonders Gäste zu spüren, die für ein paar Tage kommen, um auszuspannen, die das Gespräch suchen, sich Zeit für sich selbst nehmen. Als ich mich im Kloster aufhalte, sind noch zwei andere Frauen da. Eine kommt aus Chemnitz und hatte davor noch nie etwas mit der Kirche zu tun, außer dass sie es sich schon als Kind gewünscht hatte, einmal in einem Kloster zu sein. Sie arbeitet mit Anfang 50 nach einer Umschulung als Pflegerin in einem Rehabilitationszentrum und ist dafür ihrem Schicksal dankbar. Die andere lebt in Burg in Sachsen/Anhalt und verkündet kurz vor ihrer Abreise, dass sie ihren Lieben daheim schon telefonisch angekündigt habe, dass sich ab jetzt etwas Grundlegendes ändern werde. Ihr Ton lässt selbst Clothilde etwas überrascht aufsehen. Aber das sich Zeitnehmen zum Lesen, die Gespräche mit den Schwestern, die immer zuhören können und antworten, dieser regelmäßige Rhythmus des Tagesablaufes bringen Seiten zum Schwingen, die im Alltag schon lange nicht mehr klingen. Die Gäste kommen und gehen und lassen hier immer etwas von ihrem Leben zurück. Am heutigen Abend erwartet die Chemnitzerin ihren Mann und ihren Sohn, die sie nach fünf Tagen Klosterleben abholen sollen. Aufgeregt, geschminkt und frisch angezogen wartet sie – und lässt bald darauf das Tor zum Kloster hinter sich ins Schloss fallen.

Heute 2015

Im Innenhof wird bald ihr neues Zuhause stehen , Ursulinerinnen Sr. Katharina und Sr. Clothilde, Erfurt, 2015

Im Innenhof wird bald ihr neues Zuhause stehen

Derzeit sind keine Gäste da. Das Haus wird umgebaut. Kindergarten, Schule und Bildungshaus sind in der Trägerschaft des Caritas-Verbandes in guten Händen. Es wird wieder eine Wohnung geben, in die sich Menschen zurückziehen können. „Zu uns kommen meist Frauen, oft um die 50. Sie fragen sich, wo sie stehen und was sie noch wollen.“ Die Schwestern sind sich einig, dass die Menschen insbesondere jemanden brauchen, der ihnen zuhört, der ihnen Zeit schenkt.

Und diese wertvolle Ware verschenken sie an sich und an andere. Andere sind auch die noch älteren Frauen in ihrer Gemeinschaft. Die dement sind und die Zuwendung der noch Jüngeren brauchen.

So lange, bis sie gestorben sind.

Auf Wiedersehen, Ursulinerin Sr. Katharina geht aus dem Aufenthaltsraum

Auf Wiedersehen!

 

 

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