Weibblick - Magazin aus Frauensicht

Magazin aus Frauensicht

100 Jahre Frauenwahlrecht in D – meine Revue

„Mutig, stark und furchtlos“ – Jahrestage sind eine gute Gelegenheit, ein paar Einblicke in die Arbeit von Frauen zu geben, die mir im Laufe der Zeit begegnet sind oder mit denen ich mich beschäftigt habe.

„Mutig, stark und furchtlos“ – Jahrestage sind eine gute Gelegenheit, ein paar Einblicke in die Arbeit von Frauen zu geben, die mir im Laufe der Zeit begegnet sind oder mit denen ich mich beschäftigt habe.
Und ja: Es ist eine minimale, absolut subjektive Auswahl im Jahrzehnteschritt, die sich spielend hundertfach erweitern ließe. Und die Texte sind klein, weil sie auf Twitter (@AnnetteMaennel) bestehen mussten.

 

1918


Hedwig Dohm

Ohne ihr „Werde, die du bist“ hätte es den politischen Kampf für Wahlrecht, politische Mitbestimmung, Recht auf Bildung und eigenen Besitz für Frauen nicht gegeben.
Tja: „Man kommt sich auf dem Gebiete der Frauenfrage immer wie ein Wiederkäuer vor.“

1928


Hanna Höch

Zu Dada, der frechen, subversiven Kunst-Revolte der 1920er-Jahre gehörten auch Frauen, die gegen die Konventionen einer als verklemmt und verlogen erachteten Zeit revoltierten. Tradierte Geschlechterrollen verarbeitete Hannah Höch verschlüsselt in halluzinatorischen Pflanzenbildern und absurden Mischwesen.

Lou Andreas Salomé
„Wir wollen doch mal sehen, ob nicht die allermeisten sogenannten ‚unübersteigbaren Schranken‘, die die Welt zieht, sich als harmlose Kreidestriche herausstellen.“
Sie lebt radikale Freiheit.

1938


Käthe Kollwitz

Kritisiert u.a. mit ihrer Plastik ‚Turm der Mütter‘ gegen die Doppelmoral der Familien und Frauenpolitik während der NS-Regierung. Hier in ihrem Atelier, 1938

Charlotte Salomon
„Leben – oder Theater?“ ist wohl die gemalte expressionistische Autobiografie der Künstlerin, in der das Wort „ich“ nicht vorkommt. Für mich war es die erste Graphik Novel. Salomon wurde in Auschwitz ermordet.

1948


Ilse Aichingers

erster und einziger Roman „Die größere Hoffnung“ erscheint. Der märchenhafte, subjektive Ton, in dem sie hier die Schicksale jüdischer Kinder erzählt, hat viele Kritiker befremdet und überfordert. 
“Ich habe es immer als Zumutung empfunden, dass man nicht gefragt wird, ob man auf die Welt kommen will. Ich hätte es bestimmt abgelehnt.“

Elisabeth Selbert
erkämpfte die Gleichstellung von Mann und Frau. „Eine Sternstunde meines Lebens“, nennt sie den Moment, als der schlichte Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ als Artikel 3, Absatz 2 ins Grundgesetz aufgenommen wird.

1958


Meine Großmutter

bleibt in Ost-Deutschland, sie kann und wird ihre Promotion nicht fortführen; lernt nach Kriegsende ’45 Steno und Schreibmaschine, arbeitet 50 h in der Woche als Sekretärin, um drei Frauen zu ernähren: ihr Kind, ihre Mutter, ihre Schwiegermutter.

Helga M. Novak
studiert Journalistik im „Roten Kloster“ in Leipzig 1954.
1966 wird sind als erste Schriftstellerin ausgebürgert. Direkt, unverstellt, widerständig ist ihr Ton, ob in der Prosa oder im Gedicht. „Sie ist solidarisch im guten, wirklichen Wortsinn. Und aufsässig, allein mit dem, was sie kann. Sie lebt das anarchistische, rebellische Element, das immer wieder unter die Stiefel der Marschierer gerät. Und sich immer wieder aufrichtet.“ (Jürgen Fuchs).
Ihre Prosa ist umwerfend.

1968


Christa Reinig
wurde in O-Berlin geboren, kam aus einer Arbeiterfamilie, holte ihr Abi nach, studierte an der Humboldt Uni. 1964 blieb sie nach der Verleihung eines Literaturpeises in Bremen im Westen. Ihre Gedichte wurden im Osten verboten.
Sie wurde zu einem Sprachrohr der Frauenbewegung.

Bettina Wegner
die Liedermacherin kennt kein Pardon, wenn es um Gerechtigkeit geht. Als sie im Zusammenhang mit dem Prager Frühling gegen den Einmarsch Flugblätter in Ost-Berlin verteilt, wird sie verhaftet und auf Bewährung verurteilt.

Brigitte Reimann
bei der einen immer „Franziska Linkerhand“ in den Sinn kommt. Eine junge Frau geht zur Zeit des Mauerbaus nach Hoyerswerda und wird mit der sozialistische Realität – auch als Frau – konfrontiert.
An ihr haben sich damals viele Frauen orientiert.

Elke Erb
ist scharfsinnige Spracherkundlerin mit großer poetischer Präsenz in Ost-Berlin­. Wer neben der «Flip-out-Elke» sitzt, sieht schnell alt aus. Ihre Ironie, ihr Humor, ihre Unbestechlichkeit sind einige der Eigenschaften, die sie unwiderstehlich machen. Und erst ihre Texte!
„Und zwar kommt das aus dem Gewächs, das ich bin, das kommt von selber. Das ist nicht geklügelt. Nicht ausgedacht. In Nichts.“

Gundula Schulze Eldowy
Ihre Fotos schocken. Sie geht als junge Frau unerschrocken mit ihrer Kamera dort hin und ganz dicht heran, wo wir uns damals noch nicht hin trauen: Zu den Alten, Einsamen, wirklich Armen.  Ab 1977 bis 1990 durchstreift sie Berlin — oder stellt sich frech lachend zwischen zwei junge Polizisten, die sie auch noch unterhakt.
(Und ehrlich, wir hatten Schiss von der Polizei :)

Maxie Wander
„Ich halte jedes Leben für hinreichend interessant, um anderen mitgeteilt zu werden.“ Ihr Protokoll, „Guten Morgen, Du Schöne“, erscheint. Hier erzählen Rentnerinnen, Sekretärinnen, Lehrerinnen über sich und nichts anderes. Radikal subjektiv.
Über diese Protokolle wurde viel gesprochen. Aufreger.

1978


Meine Mutter

arbeitet Vollzeit, 45h in der Woche, zwei Kinder. Später wird sie eine Kindertagesstätte mit 800 Kindern leiten, ohne jemals in der SED oder Blockpartei gewesen zu sein. Kriegsspielzeug hat sie aussortiert.

Monika Maron
veröffentlicht „Flugasche“ (1981)
„Verrückte Menschen erschienen mir freier als normale. Sie entzogen sich der lästigen Bewertung durch die Mitmenschen, die es bald aufgaben, die Verrückten verstehen zu wollen (…) ließen sie in Ruhe.“ Damit schafft sich die Protagonistin Josefa den nötigen Freiraum, Dinge zu denken und zu tun, auf die andere nie kämen oder die sie als unbotmäßige Gedanken sofort verdrängen würden.

Ruth Misselwitz
ist eine streitlustige und unangepasste Pfarrerin und Friedensaktivistin. Ohne sie ist die kirchliche Friedens- und Umweltbewegung in der DDR nicht denkbar. 1981 gründet sie u.a. gemeinsam mit Freya Klier den Friedenskreis Pankow, eine der größten Oppositionsgruppen in der DDR.

1988


Helke Misselwitz

begleitet in ihrem Dokumentarfilm „Winter adé“ Frauen, in einer bis dahin nicht da gewesenen Offenheit. Wie die Bäuerin, die auch in einer Braunkohle-Fabrik schuftet, ihr behindertes Mädchen großzieht, befragt, ob jemand zärtlich mit ihr sei, antwortet: „Nein, niemand, mit einer behinderten, aggressiven Tochter erkennt mich niemand an. Behinderung ist kein Thema in der leistungsorientierten-fortschrittsgläubigen Welt.“

Cornelia Schleime
lebt seit 4 Jahre in der BRD. In der DDR wurde sie bespitzelt und hatte Ausstellungsverbot – „(…) also nehme ich jetzt meinen Körper und fange damit was an. Der ist meine Tür nach draußen“. Ihre Körperaktionen waren legendär, ihre Bilderwelt subtil, absurd und fragil.
Der Stasi ruft sie nach der Wende zu: „Bis auf weitere gute Zusammenarbeit“.

Christiane Markert-Wizisla
begründete mit den Unabhängigen Frauenverband 1989. Blitzgescheit stellt sie die kritischsten Fragen. Sie unterlief alle Klischees, die es über feministische Theologinnen gab. Nie ging sie ohne Lippenstift aus dem Haus. „Manche Entwicklungen ziehen eine tröstliche Selbstironie nach sich“, hat sie über den Feminismus gesagt.

1998


Zeitschrift «weibblick» erscheint. In der ersten Ausgabe reden wir mit Regine Hildebrand, ich schreibe eine Reportage über Frauen bei QUELLE in Leipzig, es geht um Bauherrinnen und die Frauenabschiebehaft Neuss.

Ina Merkel und Annett Gröschner
schreiben nach zehn Jahren Wiedervereinigung das, was heute langsam ins Bewusstsein träufelt. „Die Ostdeutschen sollen sich wandeln, die Westdeutschen dürfen sich gleich bleiben. Im praktischen Leben trifft man sich im französischen Bett.» Analysen, nicht-ideologisch – eher teffend, verhallten ungehört.

2008


Ines Geipel

war eine der schnellsten Frauen der Welt und ist nun unermüdliche Kämpferin gegen Doping. Ihr Buch «No Limit» erscheint. Selbst ein Opfer des „Spitzensport“ kämpft sie für Rehabilitierung der betroffenen Sportler, gegen Vertuschung und den weiteren Einsatz.
Sie ist auch u.a. Autorin der Biografie Inge Müller und gründet das Archiv „Archiv unterdrückter Literatur in der DDR“

2018

Gegenwind; Aufwind; Pari-Pari.
viele Feministinnen und Streitende für die Gleichberechtigung.
Sie stellen unbequeme Frage und geben streitbare Antworten.

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